Gesprächstherapie nach Rogers | Was ist das?

Der amerikanische Psychologe und Psychotherapeut Carl R. Rogers (1902-1987) entwickelte die Klientenzentrierte bzw. Personenzentrierte Gesprächstherapie.
Rogers studierte Agrarwissenschaften, Theologie, Pädagogik und Psychologie. Als klinischer Psychologie arbeitete Rogers mit unterpriviligierten und straffällig gewordenen Kindern und Jugendlichen.
Vor dem Hintergrund seines humanistisches Menschenbilds standen für Rogers die Förderung von gegenseitigen stabilen und vertrauensvollen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern und zwischen Partnern im Mittelpunkt seiner Arbeit.

In der nicht-direktiven Gesprächspsychotherapie nach Rogers wird der Klient als Experte für sein eigenes Erleben und der Therapeut als Experte für das Schaffen von Bedingungen, die für eine Veränderung förderlich sind, angesehen.
Rogers entwickelte 1957 die drei therapeutischen Grundhaltungen der Klientenzentrierten Gesprächstherapie: Akzeptanz, Empathie und Selbstkongruenz.

Akzeptanz
Der Klient wird als eigenständiger Mensch respektiert. Der Therapeut bemüht sich um eine Haltung der grundsätzlichen positiven Wertschätzung des Klienten.

Empathie
Mit Empathie ist einfühlendes Verstehen für das subjektive Erleben (Emotionen, Gedanken, Körperwahrnehmungen) des Klienten gemeint. Der Therapeut fühlt sich in das individuelle Werte- und Bezugssystem des Klienten ein, ohne zu interpretieren oder zu werten.

Selbstkongruenz
Kongruenz beschreibt Echtheit, Unverfälschtheit und Transparenz des Therapeuten. Dem Klienten ist es in der therapeutischen Beziehung nur möglich zu wachsen, wenn der Therapeut ihm als Mensch gegenübertritt und ehrliche Rückmeldung gibt.

Ziel der Gesprächspsychotherapie nach Rogers ist die Schaffung therapeutischer Rahmenbedingungen, die dem Klienten helfen, seine angeborene Tendenz zur Selbstverwirklichung zu entfalten und persönliches Wachstum und Reifung zu ermöglichen.

Anwendungsbereiche der Klientenzentrierten Gesprächstherapie nach Rogers sind Ängste und Depressionen sowie Unterstützung bei der Bewältigung sogenannter Life Events, wie Trennung, Verlust oder bei wiederkehrenden Problemen im privaten und beruflichen Bereich.
Die Klientenzentrierte Gesprächstherapie nach Rogers wird in der Einzel- und in der Gruppentherapie angewandt. Klientenzentrierte Gesprächsführung nach Rogers findet Anwendung in psychosozialer Beratungsarbeit wie auch im Training betrieblicher Führungskräfte.

Kritik an der Gesprächstherapie nach Rogers beruht darauf, dass Akzeptanz, Empathie und Kongruenz grundlegende psychotherapeutische Haltungen des Therapeuten sind bzw. sein sollten, der Gesprächstherapie nach Rogers aber ein psychotherapeutisches Konzept für die Behandlung von psychischen Störungen fehlt.

Gesprächstherapie nach Rogers geht davon aus, dass die jedem Organismus innewohnende Selbstverwirklichungstendenz, Menschen aus sich selbst heraus nach Wachstum und Reifung streben lässt. Für die Entfaltung der Selbstverwirklichungstendenz bedarf es daher nur günstige äußere Bedingungen, wie z.B. eines annehmenden, wertschätzenden Gegenübers. Voraussetzung für eine positive Wirkung der Gesprächstherapie nach Rogers ist die Fähigkeit des Klienten, sich selbständig und aktiv mit seinen Problem auseinanderzusetzen.

Bei schwerwiegenden psychischen Störungen sind die für Kontakt- und Beziehungsgestaltung notwendigen Selbstregulierungsfunktionen nicht oder nicht in ausreichendem Maß entwickelt.
Bei frühen Bindungsstörungen ist die Fähigkeit, mit einem anderen Menschen in Beziehung treten zu können, nicht ausgereift.
Als Folge von Traumatisierungen treten u.a. Dissoziationen (Unterbrechung der Wahrnehmung) auf, die den Kontakt zu sich selbst und zum Gegenüber teilweise oder vollständig unmöglich machen.

Bei schweren psychischen Störungen müssen grundlegende Funktionen der Wahrnehmungsfähigkeit, der Selbstregulation, der Kontaktfähigkeit und der Beziehungssgestaltung erst in einer Psychotherapie erabeitet werden. Dazu braucht es Psychotherapieverfahren, die ein Störungsmodell und ein Behandlungskonzept beinhalten. TherapeutInnnen müssen über Fachwissen bzgl. psychischer Störungen (Psychopathologie) verfügen und entsprechend der jeweiligen psychischen Störung (Indikation) psychotherapeutische Interventionen anwenden können. Das bedeutet, dass psychotherapeutische Methoden/Techniken abhängig von Art und Ausprägungsgrad der psychischen Störung und den jeweils vorherrschenden Symptomen und Konflikten der Klientin angewandt werden müssen.
UND eine therapeutische Grundhaltung, wie Rogers sie beschrieben, muss auf Seiten der TherapeutIn vorhanden sein.

Prof. Dr. Rainer Sachse formuliert diese wesentlichen Kritikpunkte:

„Die klassische Gesprächstherapie nimmt an, dass alle Klienten gleich sind und dass man deshalb allen Klienten das gleiche therapeutische oder Beziehungsangebot machen kann.“

Sachse betont:

„Klienten sind keineswegs gleich. Klienten weisen sehr unterschiedliche Störungen auf; sie weisen damit sehr unterschiedliche Arten von Problem auf; daher sind sehr unterschiedliche Therapieziele angemessen; diese können nur mit sehr unterschiedlichen Verfahren erreicht werden.“


zum Weiterlesen:

Kritik der „klassischen Gesprächspsychotherapie“, Prof. Dr. Rainer Sachse, 2001

www.carlrogers.de