Psychopharmaka haben häufig einen schlechten Ruf. So kann es Befürchtungen geben, dass Psychopharmaka die Persönlichkeit eines Menschen negativ verändern oder süchtig machen.
Teilweise bestehen solche Annahmen nicht ganz zu unrecht.
Es gibt Stoffgruppen mit einem hohen Suchtpotential. Gewünschte Wirkungen müssen im Einzelfall immer gegen mögliche Nebenwirkungen abgewogen werden. Werden Psychopharmaka nicht bedarfsgerecht verordnet bzw. dosiert, können die Nachteile den Nutzen überwiegen.
Die moderne Psychopharmakotherapie hält eine Reihe von Substanzen bereit, die sehr effektiv zur (Mit-) Behandlung psychischer Störungen eingesetzt werden können.
Psychopharmaka werden in Gruppen eingeteilt. In den einzelnen Gruppen steht eine z.T. große Anzahl von Medikamenten mit spezifischen Wirkmechanismen zur Verfügung.
Antidepressiva werden nicht nur zur Behandlung depressiver Störungen eingesetzt, sondern auch zur medikamentösen Therapie bei Angsterkrankungen, Zwangsstörungen, Posttraumatischen Belastungsstörungen, Schlafstörungen, Entzugssyndrome und chronischen Schmerzzuständen.
Antidepressiva können eingeteilt werden in Wirkklassen mit eher sedierenden (beruhigenden) und eher stimmungsaufhellenden Wirkqualitäten.
Antidepressiva machen nicht abhängig.
Phasenprophylaktika, auch Stimmungsstabilisierer genannt, werden genutzt für die Behandlung von ausgeprägten depressiven und/oder manischen Stimmungsschwankungen im Rahmen von bestimmten affektiven Störungen (z.B. bipolare Störungen, Rapid Cycling, u.a.).
Neuroleptika (Antipsychotika) wirken dämpfend auf psychomotorische Erregtheit, psychotische Sinnestäuschungen oder Wahngedanken.
Indikationen für Neuroleptika sind z.B. die Behandlung von Schizophrenien, Manien, psychotischen (wahnhaften) Depressionen, akuten Erregungszuständen oder psychotischen Symptomatiken im Rahmen verschiedener anderer psychischer Störungen.
Anxiolytika haben eine angst- und spannungslösende Wirkung.
Hypnotika (Schlafmittel) finden Verwendung in der Therapie von Schlafstörungen und in der Anästhesie zur Narkoseeinleitung.
Die Gruppen der Anxiolytika und Hypnotika können nicht immer eindeutig voneinander abgegrenzt werden.
Das Einsatzgebiet ist vor allem die Akutbehandlung von Panikattacken, als zusätzliche Medikation bei Suizidalität oder schweren Angst- und Erregungszustände.
Bei einzelnen Präparaten aus den Gruppen der Anxiolytika und Hypnotika besteht ein hohes Suchtpotential. Diese sollten nur vorrübergehend und streng nach ärztlicher Verordnung eingenommen werden (Benzodiazine wie z.B. Valium®, Tavor®, Adumbran®).
Weitere Psychopharmakotherapie-Gruppen sind Antidementiva zur Behandlung von dementiellen Störungsbildern (Demenz), Psychopharmaka zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit und Psychostimulantien (z.B. bei ADHS).
Psychotherapie und Psychopharmakotherapie
Symptomatik und Verlauf verschiedener psychischer Störungen unterscheiden sich erheblich. Favorisierte Behandlungskonzepte folgen u.a. wissenschaftlichen Erkenntnissen und verändern sich im Laufe der Zeit.
So wurde einst als Ursache schizophrener Störungsbilder eine rein biologische Genese angenommen und entsprechend ausschließlich mit Psychopharmaka behandelt.
Heute ist bekannt, dass die Rückfallquote bei chronischen Schizophrenien durch eine gleichzeitige psychotherapeutische Behandlung erheblich reduziert werden kann.
Auf Psychopharmaka als akute bzw. dauerhafte Behandlungsform kann bei manchen psychischen Störungen keineswegs verzichtet werden.
Ggfs. kann durch die Kombination von Psychopharmakotherapie, Psychotherapie, Soziotherapie, u.a. (multimodale Therapie) eine bessere Stabilisierung bzw. Linderung erreicht werden.
Die quälende Symptomatik psychischer Störungen kann u.U. derart ausgeprägt sein, dass die emotionale Arbeit in einer Psychotherapie ohne zusätzliche Psychopharmakotherapie zu belastend wäre.
Unter bestimmten Umständen kann die (vorübergehende) Gabe von Psychopharmaka eine Psychotherapie überhaupt erst möglich machen.
Bei unfallbedingten Schmerzen oder nach einer Operation käme wohl niemand auf die Idee, auf eine zeitlich begrenzte Einnahme von Schmerzmitteln zu verzichten.
Dennoch muss in jedem Einzelfall genau geprüft werden, ob eine Psychopharmakotherapie individuell hilfreich, sinnvoll bzw. unumgänglich ist.
Eine unkritische Einnahme von Psychopharmaka kann ebenso Schaden anrichten, wie der Verzicht aufgrund unbegründeter Ängste oder Vorurteile.
Psychotherapie braucht nicht zwangsläufig die Unterstützung durch Psychopharmaka.
Neuere Studien belegen, dass Psychotherapie bei der Behandlung von Depressionen einer rein medikamentösen Therapie signifikant überlegen ist. Der Studie nach erzielt die Kombination aus Psychotherapie und der gleichzeitigen Gabe von Antidepressiva eine weitere geringfügig bessere Wirkung.
(C.M. Heim, Berlin, Vortrag:„Entwicklung und innere(In-Kohärenz: Der Beitrag früher Stresserfahrungen zur Neurobiologie der Depression“, 40. Lübecker Psychotherapietage, 2011)
Psychopharmaka werden von ÄrztInnen verschiedener Fachrichtungen verordnet. Insbesondere ÄrztInnen, die auf die Behandlung psychischer Störungen spezialisiert sind und PsychiaterInnen besitzen ein umfangreiches Wissen über den Einsatz von Psychopharmaka.
Im Zweifel kann das Einholen einer zweiten ärztlichen Meinung die Entscheidung für bzw. gegen die Einnahme von Psychopharmaka erleichtern.
Bei bestimmten psychischen Störungen kann auch eine medikamentöse Behandlung (Homöopathie, Bachblüten-Therapie, Schüssler Salze, u.a.) durch HeilpraktikerInnen in Frage kommen.
Bei der Behandlung psychischer Störungen kann eine sinnvolle Kombination psychotherapeutischer und medikamentöser Behandlungsmethoden förderlich sein.
Eine Kooperation psychotherapeutischer und ärztlicher und/oder heilpraktischer BehandlerInnen kann im Bedarfsfall eine Psychotherapie gut unterstützen.
Zum Weiterlesen:
Informationen über Psychopharmaka finden Sie u.a. in dem
Blog eines Psychiaters: Psychiatrie to go
Daraus ausgewählte Artikel:
Ich halte es für besonders wichtig die Verordnung von Psychopharmaka nur von Profis, also einem Psychiater, machen zu lassen. Wenn Psychotherapeuten über den Hausarzt etwas verschreiben lassen und gar nicht die notwendige Erfahrung im Bereich Medikamente haben, dann halte ich das für bedenklich. Ebenso wenn Neurologen Psychopharmaka verschreiben. Es ist fast so als könnte man heute bei jedem Arzt Psychopharmaka erhalten. Aber nur der Psychiater ist wirklich qualifiziert dafür.
Vielen Dank für Ihren Kommentar.
Besorgnis erregend ist in der Tat, dass Psychopharmaka nicht selten bedenkenlos verschrieben werden.
Psychopharmakotherapie nimmt einen großen Umfang in der fachärztlichen Weiterbildung von PsychiaterInnen ein. Sie sind die Spezialisten auf diesem Fachgebiet.
Die verantwortungsbewusste Verordnung von Psychopharmaka setzt umfassende Diagnostik und umfangreiches Wissen über pharmakologische Wirkmechanismen der in Frage kommenden Medikamente voraus. Das können nur Fachleute.
Wenn sich ÄrztInnen mit anderen Fachrichtungen in ihrer Praxis schwerpunktmäßig mit psychischen Störungen befassen und sich laufend entsprechend fortbilden, kann bis zu einem gewissen Grad beispielsweise auch eine internistische HausärztIn für die medikamentöse Behandlung psychischer Störung qualifiziert sein.
Für Laien ist es schwierig, zu erkennen, ob die behandelnde HausärztIn über das nötige Fachwissen auf diesem Gebiet verfügt.
Ein Indiz für professionelles Handeln ist es, wenn die ÄrztIn viele Fragen zu Symptomen und Lebensgeschichte/-situation stellt und sorgfältig die Wirkung des Medikaments erklärt.
Wichtig ist m.E., dass sich die Angehörigen jeder Berufsgruppe ihrer jeweiligen fachlichen Grenzen bewusst sind.
Das Einholen einer Zweitmeinung bzw. die Mitbehandlung durch KollegInnen angrenzender Fachrichtungen sollte dann selbstverständlich sein.
Stimme dem o.g. vollumfänglich zu – klar sollte auf jeden Fall sein, dass Doppelblindstudien zur Wirksamkeit von Psychotherapie und/oder Psychopharmaka fast durchgehend beschreiben, dass die Kombination beider Verfahren immer besser ist als jeweils nur ein Verfahren anzuwenden.
Im Rahmen einer zweijährigen Psychotherapie sehe ich allerdings auch immer zu, dass bei abnehmenden bzw. verschwundenen Symptomen in Absprache mit dem fachärztlichen Kollegen und dem/der Patienten/-in ein Absetzversuch vorgenommen wird. Denn manchmal hält die Einnahme der Medis deutlich über den Gesundungszustand hinaus, die Störung im Sinne eines Sicherheitsverhaltens aufrecht. http://www.psychotherapie-magdeburg.net
Herzlichen Dank für Ihren Kommentar und Ihre Ergänzungen.
Insbesondere Ihren Hinweis auf einen Absetzversuch nach längerer Einnahme von Psychopharmaka unter ärztlicher Kontrolle halte ich für wichtig.
Jede Behandlungsart sollte regelmäßig auf ihren aktuellen Nutzen hin überprüft und ggfs. angepasst werden. Aus meiner Sicht trifft das auf die Verordnung/Dosierung von Psychopharmaka, die Anwendung psychotherapeutischer Methoden und auch die Kombination mehrerer Behandlungsverfahren zu.
Eine gleichzeitige psychopharmakologische und psychotherapeutische Behandlung ist bei bestimmten psychischen Störungen nutzbringend und/oder erforderlich. Forschungsergebnisse bestätigen das beispielweise für schwere depressive Störungen.
Ob eine Kombination von medikamentöser Behandlung und Psychotherapie einer Behandlung mit nur einem Verfahren überlegen ist, hängt m.E. von verschiedenen Faktoren ab; darunter z.B. Art der psychischen Störung, Ausprägungsgrad der Symptomatik, Komorbiditäten, Phase des Behandlungsprozesses, Compliance der PatientInnen.
Besonders bei schwereren psychischen Störungen wird im besten Fall ein Behandlungsplan unter Mitwirkung verschiedener BehandlerInnen zusammen mit der PatientIn entwickelt.