Schematherapie | Was ist das?

Die Schematherapie wurde von dem amerikanischen Verhaltenstherapeuten Jeffrey E. Young als Erweiterung der kognitiv-behavioralen Verhaltenstherapie zur Behandlung von therapieresistenten Fällen entwickelt. Für PatientInnen, die auf eine Verhaltenstherapie nicht zufriedenstellend ansprachen, wollte Young effektivere Behandlungsmöglichkeiten finden und suchte bei humanistischen Psychotherapieverfahren, insbesondere der Gestalttherapie, nach wirksameren Methoden.
Schematherapie gilt als integratives Psychotherapieverfahren, das zur Behandlung schwer behandelbarer Störungsbilder mit Ursprüngen in Kindheit und Jugend eingesetzt wird. Schematherapie zielt darauf ab, dysfunktionale Beziehungsmuster zu identifizieren und die funktionalen Modi des gesunden Erwachsenen und des glücklichen Kindes zu stärken.

Was ist ein Schema?

Ein Schema ist ein überdauerndes, schädigendes Verhaltensmuster. Nach Young beinhaltet ein Schema dauerhafte, ungünstige Muster von Gefühlen, Gedanken und Erinnerungen, die das Verhalten in einer konkreten Situation steuern. Das Verhalten ist starr. Eine flexible Anpassung an die konkrete Situation wird verhindert.
Die Ursache der Entwicklung von maladaptiven (unangepassten) Schemata liegt lt. Young darin, dass in Kindheit und Jugend emotionale Grundbedürfnisse nicht befriedigt wurden. Schemata können durch Vernachlässigung oder auch durch übermäßige Fürsorge entstehen, wenn dadurch das Kind keine ausreichende Selbstständigkeit entwickeln kann. Weitere mögliche Ursachen können lt. Young schwere Belastungssituationen oder traumatische Erlebnisse sein.
Fehlangepasste Verhaltensmuster dienen der kurzfristigen Bedürfnisbefriedigung. Langfristig verursachen Schemata zwischenmenschliche Konflikte und Probleme und verhindern eine zufriedenstellende Lebensgestaltung. Young nennt Schemata auch „Lebensfallen“.

Die 18 Schemata

Young unterscheidet 18 Schemata. Jedes Schema wird einem unerfüllten Grundbedürfnis (nach Grawe, Link s.u.) zugeordnet. Die 18 Schemata werden 5 übergeordneten Schemadomänen zugeordnet. Ein Schema ist verbunden mit einer Kognition, die bestimmte starre Verhaltensweisen aktiviert (z.B. ertragen, vermeiden oder überkompensieren). Aus dem Gedanken (negative Grundüberzeugung) entwickeln sich maladaptative Bewältigungsmodi (s.u.).
Am Beispiel des Schemas „Unzulänglichkeit, Scham“ lautet die Kognition: „Ich bin nicht ok. Ich habe es nicht verdient, respektiert und geliebt zu werden.“ Entsprechende Bewältigungsmodi sind: Erduldung (destruktive Beziehungen erdulden, die Sündenbockrolle übernehmen), Vermeidung (schweigender Rückzug, lieber nichts sagen, besser nur zuhören), Kompensation (unerbittliche Ansprüche, Überkorrektheit, grandiose Selbstüberschätzung mit Herabwürdigung anderer).

Schema:
1. Verlassenheit, Instabilität – Kognition: Alle verlassen mich. Ich werde immer in Stich gelassen. Ich bin allein.
2. Misstrauen, Missbrauch – Kognition: Ich werde alles verlieren. Was ist habe, wird mir weggenommen.
3. Emotionale Entbehrung – Kognition: Nähe tut weh. Ich habe es verdient, dass andere böse zu mir sind.
4. Unzulänglichkeit, Scham – Kognition: Ich bin nicht ok. Ich habe es nicht verdient, geliebt zu werden, egal wie sehr ich mich bemühe.
5. Soziale Isolation, Entfremdung – Kognition: Ich bin anders als andere. Keiner versteht mich. Ich gehöre nicht dazu.
Grundbedürfnis: Bindung
Schemadomäne
: Abgetrenntheit und Ablehnung

Schema:
6. Abhängigkeit, Inkompetenz – Kognition: Die Welt ist ein gefährlicher Ort. Ich bin hilflos.
7. Anfälligkeit für Verletzungen und Krankheiten – Kognition: Neues ist fremd und gefährlich. Ich bin schutzlos ausgeliefert.
8. Verstrickung, unentwickeltes Selbst – Kognition: Ohne dich kann ich nicht leben.
Grundbedürfnis: Autonomie
Schemadomäne
: Beeinträchtigung von Autonomie und Leistung

Schema:
9. Versagen – Kognition: Ich bin weniger begabt/talentiert/klug als alle anderen Menschen. Ich werde nie Erfolg haben.
10. Anspruchshaltung, Grandiosität – Kognition: Ich bin etwas Besonderes. Das steht mir zu. Für mich gelten keine Regeln und Konventionen.
11. Unzureichende Selbstkontrolle, Selbstdisziplin – Kognition: Ich kann das nicht (aushalten).
Grundbedürfnis: Realistische Grenzen und Selbstkontrolle
Schemadomäne
: Beeinträchtigung im Umgang mit Begrenzungen

Schema:
12. Unterwerfung – Kognition: Die anderen wissen es besser. Die anderen haben immer recht.
13. Selbstaufopferung – Kognition: Ich muss für andere sorgen. Die anderen brauchen meine Hilfe.
14. Streben nach Zustimmung und Anerkennung – Kognition: Ich muß es anderen recht machen, sonst habe ich keinen Wert.
Grundbedürfnis: Berechtigte Bedürfnisse und Emotionen
Schemadomäne: Fremdbezogenheit

Schema:
15. Negativität, Pessimismus – Kognition: Ich werde immer enttäuscht. Fehler machen ist gefährlich.
16. Emotionale Gehemmtheit – Kognition: Ich werde bestraft, wenn ich meine Gefühle zeige.
17. Unerbittliche Standards, übertrieben kritische Haltung – Kognition: Ich muss Leistung bringen, um etwas wert zu sein.
18. Bestrafen – Kognition: Menschen sind böse. Kleinste Fehler müssen bestraft werden.
Grundbedürfnis: Spontaneität und Spiel
Schemadomäne: Übertriebene Wachsamkeit und Gehemmtheit

Schema-Modi

Ein Modus kann beschrieben werden als ein in einem konkreten Augenblick aktivierter Erlebenszustand, auf den mit einem bestimmten Verhalten reagiert wird. Ein Modus kann in bestimmten Situationen aktiviert werden. Modi können rasch wechseln.
Modi werden eingeteilt in Kindmodi, Elternmodi, dysfunktionale Bewältigungsmodi und Gesunder-Erwachsenen-Modus.

Kind-Modi

  • verletzes Kind-Modus: einsam, verletzt, verlassen, abhängig, ungeliebt, traurig, verängstigt, hilflos, verzweifelt, hoffnunglos
  • wütendes Kind-Modus: ärgerlich, wütend, impulsiv, frustriert, ungeduldig, unmäßige/verwöhnte Forderungen, unkontrollierte Wut
  • undisziplinierter Kind-Modus: impulsiv, rücksichtslos, geringe Frustrationstoleranz, gedankenloses Handeln
  • glücklicher Kind-Modus: geliebt, zufrieden, gebunden, sicher, wertvoll, verstanden, zuversichtlich, kompetent, widerstandsfähig, anpassungsfähig, optimistisch, spontan, genießen, spielen, Spass haben

Eltern-Modi

  • fordernder Eltern-Modus: fordernd, leistungsorientiert, es ist nie gut genug
  • bestrafender Eltern-Modus: abwerten, bestrafen, verletzen, vernachlässigen

Dysfunktionale Bewältigungs-Modi

  • erduldender Bewältigungs-Modus: passiv, unterwürfig, sich unterwerfen, aushalten
  • vermeidende Bewältigungs-Modus: flüchten, distanzieren, klagsam
  • überkompensierender Bewältigungs-Modus: suchtartiges/zwanghaftes Verhalten, angeberisch, überheblich, andere abwerten, oberflächlich, sexualisiert, perfektionistische Kontrolle, Misstrauen, Wachsamkeit, aggressiv, täuschen, lügen, Schutz durch Angriff

Gesunder-Erwachsenen-Modus

  • sich kümmernder und begrenzender Erwachsenen-Modus: sicher, geborgen, verbunden, aufmerksam, empathisch, spontan, spielen, autonom, selbständig, anerkennen, loben, realistische Grenzen, Liebe, Spaß, flexible Modus-Anpassung

 

Indikationen

Young hat die Schematherapie ursprünglich zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen entwickelt. Schematherapie wird deshalb auch vor allem zur Behandlung der Borderline Persönlichkeitsstörung und der narzisstischen Persönlichkeitsstörung eingesetzt. Schematherapie wird inzwischen auch zur Therapie von anderen lebensgeschichtlich entstandenen psychischen Störungen angewendet, z.B. chronische Depression, Ängste, Phobien, Zwänge, Essstörungen, sexuelle Probleme, Kindheitstraumata sowie in der Rückfallprävention bei Substanzmittelmissbrauch und zur Behandlung von Straftätern.
Das Schema-Model nach Young findet teilweise auch Anwendung in der Beratung, z.B. bei Lebensproblemen und Partnerschafts- und Beziehungskonflikten.

zum Weiterlesen:

Verhaltenstherapie | Was ist das? – blog-psychotherapie-luebeck.de

Verhaltenstherapie | Methoden – blog-psychotherapie-luebeck.de

Fachgruppe „Schematherapie“ im DVT – Deutsche Fachverband für Verhaltenstherapie e.V.

Was ist Schematherapie – Institut für Schematherapie Ostschweiz

Schematherapie Typische Lebensfallen und ihre Bearbeitung – Dr. med. Walter Meili

Die 18 Schemata – Ellen Gross

Das Modusmodell – Borderline Netzwerk e.V.

Grundbedürfnise nach Grawe – Klaus-Grawe-Institut für Psychotherapie

Gestalttherapie | Ganzheitlichkeit & andere Ansätze – blog-gestalttherapie-luebeck.de